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Daily Telegraph

Eine der meist gelesenen Zeitungen in Australien und die beliebteste Tageszeitung in Sydney: Der Daily Telegraph. Wird hin und wieder »Daily Terror« genannt. Auch ich gehöre zu den (dummen) Menschen, die diese Zeitung lesen – und ärgere mich immer wieder darüber, was für ein Müll da drinnen steht und vor allem wie einseitig die Berichterstattung ist. Und dass das hier niemanden zu stören scheint. In dem Café in dem ich arbeite, lesen an die 95% der Stammgäste diese Zeitung täglich. Weitere 4% gehen an den Sydney Morning Herald und ca. 1% liest den Australian. Alles grob geschätzt natürlich.

Der Daily Telegraph ist ein sehr konservatives und nationalistisch geprägtes Blatt. Die Artikel sind in meinen Augen reißerisch und aufgeputscht, die Themen sehr selektiv. Jeder noch so kleine Anlass wird zum Aufruf zur Ausländerfeindlichkeit genutzt. In erster Linie trifft dies Muslime und Asylanten. Eine typische Boulevardzeitung für die Massen. Die Artikel sind kurz und in einfacher Sprache gehalten. Laut einer Medien-Umfrage von Roy Morgan International gehört der Daily Telegraph aber auch zu den unglaubwürdigsten Zeitungen in Australien. 16% der Befragten waren der Meinung, dass alle australischen Zeitungen nicht genau, einseitig oder ungerecht berichten, 11% antworteten mit Herald-Sun und 9% mit Daily Telegraph. 

Ich persönlich kann und will so eine Zeitung einfach nicht ernst nehmen. Die Australier anscheinend auch nicht – trotzdem liest sie jeder und schlimmer noch, die meisten reagieren nur mit Achselzucken, wenn wieder mal Spekulationen als Fakten und Propaganda als Wahrheiten verkauft werden. Dummheit wird einfach akzeptiert, Kritik nur selten geäußert.

Dazu ein Beispiel zum Thema Asylanten. Eine kleine Info vorab: Menschen die in Australien Asyl ansuchen, werden für die Dauer des Verfahrens auf abgelegenen Pazifik-Inseln in Internierungslagern festgehalten und von vielen Australiern abwertend »boat people« genannt. 2011 wurde der Daily Telegraph stark kritisiert, als er folgende Headline auf der Titelseite veröffentlichte: »OPEN THE FLOODGATES – Exclusive: Thousands of boat people to invade NSW« Das englische Wort »invade« ist am ehesten mit einem »gewaltbereiten Eindringen und Besetzen eines fremden Landes« zu umschreiben. Somit warnte die Zeitung davor, was passieren wird, wenn man die Schleusen öffnet: Asylanten werden NSW erobern. Es gab noch eine weitere Überschrift, die für Unmut sorgte und zur Beschwerde beim australischen Presserat führte. »Detainee deluge for Sydney« was so viel bedeutet wie »Sintflut an Sträflingen für Sydney«. Dabei wurde die Bezeichnung »Sträfling« wiederum stark kritisiert und als unangebracht und wahrheitsverfälschend bezeichnet. Weiters hieß es in dem Artikel: »Thousands of boat people will be released into Sydney's suburbs as the government empties detention centres.« Auf Deutsch: »Wenn die Regierung die Internierungslager leert, werden tausende von Asylanten in Sydneys Vorstädte entlassen.«

Damit wird gerne gehetzt, fast täglich sind die Asylanten hier Thema. Auch wenn es eigentlich um ganz was anderes geht. Heute widmete sich der Leitartikel im Daily Telegraph der Kürzung des so genannten »Baby Bonus« (bei Geburt eines Kindes erhält man vom Staat 5.000 Australische Dollar). In Zukunft soll man diese Summe nur mehr für das erste Kind erhalten. Für jedes weitere Baby wird es nur noch 3.000 Dollar geben. Der Artikel berichtet über ein Loch in der Staatskasse, das auf diese Weise gestopft werden soll und mutmaßt doch prompt, dass die Explosion des Budgetplans für Asylverfahren schuld an dieser Misere ist. Der hetzerische Artikel kommentiert in fett gedruckten Lettern (sinngemäß): »Die australische Mittelklasse muss herhalten – zu hohe Ausgaben für boat people, der Baby Bonus wird gekürzt.« Unterstützt wird die Zeitung in ihrer Meinung von einer Mutter aus Sydney, die mit ihrem kleinen Baby in die Kamera lächelt und wie folgt zitiert wird: »Australisches Geld ist für Australier. Ich sehe nicht ein, warum uns der Baby Bonus gekürzt wird, um boat people zu unterstützen.«  

Damit hat es die Boulevardpresse wieder mal geschafft. So mir nichts dir nichts sind die boat people – wie so oft – an allem Schuld. Ich frage mich, wie viele Australier diesen Artikel heute ebenfalls gelesen haben und sich ehrlich darüber aufregen (so wie ich das gerade tue). Wie kann eine Zeitung Fakten so offensichtlich zu einer Geschichte zusammenstricken, um Leute gegen Asylanten aufzuhetzen? Und niemand runzelt die Stirn darüber? Der Online-Artikel des Daily Telegraph ist wesentlich glimpflicher ausgefallen und stark gekürzt, das Interview mit der Mutter fehlt. Hier aber trotzdem zum nachlesen: Link zum Artikel

Da interessiert es mich doch brennend, was andere Zeitungen schreiben. Ob die sich auch so ihre eigene Geschichte zusammen reimen und es dann als Leitartikel verkaufen. Nein, tun sie glücklicherweise nicht. Der Sydney Morning Herald hat heute online zwei Artikel veröffentlicht, die nicht miteinander in Verbindung stehen. Einer handelt von der Kürzung des Baby Bonus bzw. den politischen Verhandlungen darüber Link zum Artikel, der andere von Budgetproblemen im Asylverfahren Link zum Artikel. Im zweiten Artikel wird auch erwähnt, dass die Regierung anstrebt, das Defizit durch die Erhöhung der Visumkosten für Einwanderer auszugleichen. Ich frage mich also, wo der Daily Telegraph seine »Wahrheiten« her hat.

Es kränkt mich manchmal, in einem Land zu leben, wo Dummheit so offensichtlich akzeptiert wird. Keiner regt sich über den Müll auf, der in der Zeitung steht. Die ganzen Halb-Wahrheiten (und Lügen) werden einfach akzeptiert. Und ich wette es gibt hier genug Leute, die diese Art von Berichterstattung für bare Münze halten und dann womöglich wirklich denken, dass die Asylanten direkte Schuld an der Kürzung der Kinderbeihilfe haben.

Soll ich euch jetzt noch den Werbespot des Daily Telegraph zeigen? Wie erwartet strotzt dieser nur so vor Verherrlichung und patriotischen Gefühlen. »Wir gehören zu den Glücklichen 4,5 Mio. Menschen, die in der besten Stadt der Welt leben.« Ich bin erstaunt, dass keine einzige australische Flagge zu sehen ist.

No worries!

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